Teil 11 von 13 |
Bei strahlendem Sonnenschein und blauem Himmel geht es am nächsten Tag vorerst ein flaches Tal hinauf. Der Weg quert Geröllfelder und Sandwüsten und wird von Bächen und Wasserläufen immer wieder unterbrochen. In diesen Situationen heißt es dann runter vom Rad, waten und schieben. Im ersten und gleichzeitig letzten Ort vor dem Base Camp sind drei Männer eifrig bemüht, ihren Landcruiser wieder flott zu machen. Die Steinpiste fordert eben ihren Tribut. Mein Drahtesel hat aber bis jetzt alles bestens überstanden.
Das Tal führt nun wieder steil hinauf. Hinter jeder Kehre werden immer schroffere und höhere Berge sichtbar. Weit kann es jetzt wohl nicht mehr sein. Noch eine letzte Pause. Drei Packungen chinesische Instantnudeln, wohl oder übel ein Grundnahrungsmittel für Radreisende am Dach der Welt, werden verzehrt. Ein Yak-hütender Hirte, der mir während der Rast einen Besuch abstattet, versichert, gleich hinter dem Berghang am Ziel zu sein. In Anbetracht des Straßenzustandes und des steten Anstiegs also in allerhöchstens 30 Minuten, denke ich. Dann wäre ich beim Rongbuk Kloster, dem angeblich höchstgelegenen Kloster der Welt am Fuße des Qomolangma - Göttin der Erde - wie die Tibeter den höchsten Berg der Welt ehrfurchtsvoll nennen.
Ungeduldig breche ich auf. Ich habe Angst, den Everest nur in Wolken verhüllt zu sehen, wie es viele Reisende, die ich unterwegs getroffen habe, erleben mussten. Der Weg scheint kein Ende zu nehmen. Der Straßenzustand wird immer schlechter und die Kräfte lassen mehr und mehr nach. Ich sehe einen Gipfel, das muss er doch sein, der Berg meiner Träume! Noch ungeduldiger trete ich in die Pedale. Ein kurzes Stück begleitet mich eine Schar von Mönchen. Trotz ihrer schweren Last, die sie zum Kloster schaffen, helfen sie mir beim Rad-schieben. Ihr fröhlicher Gesang scheint sie von ihren Anstrengungen abzulenken.
Nach zwei Stunden Quälerei stehe ich schließlich vor den Toren des Klosters auf 5100 Meter Seehöhe. Ich hebe meine Augen und bin überwältigt: der mächtigste Berg der Welt zeigt sich mir in seiner ganzen Schönheit. Der Gletscher, die imposante Nordwand und der eisgepanzerte Gipfel sind nun tatsächlich vor meinen Augen. Es ist Wirklichkeit, ich habe es mit eigener Kraft geschafft. Ein unbeschreibliches Glücksgefühl erfasst mich, ein Gefühl, das mit keinem Geld der Welt zu erkaufen ist.
Rongbuk Kloster vor dem Mt. Everest |
Base Camp Höhenprofil |
Autor: Ulrich Sertl | ||
Dieser Artikel wurde uns freundlicherweise von Ulrich Sertl für die Veröffentlichung zur Verfügung gestellt. Auf seiner Homepage pedalglobal.net findet ihr unter anderem weitere Informationen über Tibet. |
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