Teil 10 von 13 |
Unter größter Anstrengung rudere ich zwischen großen Steinen und Felsblöcken hin und her. Die Schotterpiste gleicht einem trockenen, steil ansteigenden Bachbett. Sie führt in Serpentinen über ein riesiges Geröllfeld. Die wenigen Jeeps die vorbeikommen sind noch einige Zeit lang zu sehen. Mit heulendem Motor kriechen sie Kurve für Kurve den Berghang hinauf. In über 5000 Meter Seehöhe fällt das Atmen schwer, des öfteren droht das Fahrrad samt Fahrer umzukippen. Kurze Pause, die Kräfte schwinden schnell. Aber Aufgeben kommt nicht in Frage. Zu groß ist der Wunsch, zu intensiv das Verlangen, das erträumte Ziel zu erreichen. 80 Kilometer und 2000 Höhenmeter stehen mir jedoch noch bevor. Es werden die anstrengendsten Radkilometer meines Lebens.
Erst nach etlichen Kilometern wird mir klar, dass eine einkalkulierte Versorgungsmöglichkeit nicht mehr auftauchen wird. Umkehren kommt wegen der Distanz nicht mehr in Frage. Die Vorräte sind fast aufgebraucht. 30 Kilometer und 1100 Höhenmeter bis zum nächsten Ort. Und das passiert mir nach fast drei Monaten "on the road" im Land der Tibeter. Ärgerlich! Also Bachwasser durch den Keramikfilter pumpen, die letzten Vorräte plündern. Satt wird man davon nicht. So wird die Auffahrt auf den Pass noch beschwerlicher als ich es ohnedies erwartet habe. Dünne Luft, schweres Gepäck und holprige Piste machen zu schaffen.
Auf der Passhöhe angekommen ist die Stimmung jedoch kaum zu beschreiben. Ein Meer an bunten wehenden Gebetsfahnen, grandiose Aussicht auf die Unendlichkeit des Himalaja lassen alle Anstrengungen schnell vergessen. Bei klarem Wetter gibt es einen tollen Ausblick auf die 8000er Kette: Cho Oyu, Lhotse, Gyachung, Everest. Erst am Abend erreiche ich den nächsten Ort tief unten im Tal. Bergab geht es nicht viel flotter, das Rad wird auf Schrittgeschwindigkeit gehalten bis die Felgen glühen und die Hände vom andauernden Bremsen schmerzen.
Vor dem Schlafengehen ein Blick vom Dach des Quartiers: sternenklarer Himmel, in der dünnen Atmosphäre auf 4200 Metern sind Millionen Sterne zu sehen. Der höchste Gipfel der Welt (8850 m) hat sich aber immer noch nicht blicken lassen. Schneebedeckte Berge bilden eine dunkle, undurchdringliche Mauer, so als sollte das Geheimnis dieses Berges so lange wie möglich nicht preisgegeben werden.
Stolze tibetanische Reiter |
Nomadenzelte in der Tingriebene |
Autor: Ulrich Sertl | ||
Dieser Artikel wurde uns freundlicherweise von Ulrich Sertl für die Veröffentlichung zur Verfügung gestellt. Auf seiner Homepage pedalglobal.net findet ihr unter anderem weitere Informationen über Tibet. |
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