Die nächsten vier Tage dienen nur einem alleinigen Zweck: Der totalen Entspannung. Wir bummeln in der Stadt herum, schauen uns ausgiebig um. In Whitehorse wohnen doch tatsächlich zwei Drittel der Bewohner des Yukon's, obwohl das gerade mal 23.000 Menschen sind. Sogar einen internationalen Flughafen gibt es hier.
Apropos Flughafen... Nun bleiben uns ein paar Tage Bedenkzeit, die Tour fortzusetzen, oder nicht.
Beinahe zwei Monate war die freie Natur jetzt unser Zuhause. Doch das Wetter hat sich
während der gesamten Zeit bis auf ein paar Ausnahmen kein bißchen gebessert. Ständiger
Regen bei kaltem Wind und permanent verhangener Landschaft. Das macht auf Dauer keinen
Spaß mehr, schließlich möchte man zur eigenen Belohnung auch ab und zu mal etwas sehen.
Der ewige Regen gibt keine Chance, die Ausrüstung und Kleidung zu trocknen, und so
schlüpfen wir jeden Morgen in feuchte Klamotten.
Aber all das wäre ja noch gar nicht einmal so schlimm, wenn da nicht die Millionen von
Mücken, Blackflies, Bremsen und sonstige blutrünstige Insekten wären. Sie lassen uns
zu keiner Ruhe kommen, wenn sie abends in Horden auf dem Lagerplatz warten und am frühen
Morgen selbst kein entspanntes Frühstück zulassen. Wir sind in eine permanente Hektik
verfallen und haben nur unterwegs auf dem bike unsere Ruhe, an manchen Tagen ist aber
auch dort mit nervtötenden Angriffen zu rechnen. Vor dem Hotel lungern ein paar finstere Gestalten herum. Als wir vorbeigehen, begrüßt uns einer von ihnen mit einem düsteren "I kill you, fucka!". Sehr freundlich,
denken wir uns und zücken die griffbereite, große Bärensprayflasche. Der Hinweis genügt und die Angelegenheit ist erledigt.
An einem Tag stand eigentlich eine Wanderung auf einen nah gelegenen Berg an, doch ist das Wetter mal wieder so schlecht, daß daraus nichts wird.
Stattdessen reparieren wir das Fahrrad eines Hotelangestellten und gehen zu Pizza-Hut, um uns am All-you-can-eat-Buffet für nur sage und schreibe $5,99 zu bedienen.
Um unsere Defizite wieder auszugleichen, wird so viel wie möglich gegessen. Dabei stellt sich heraus, daß die Bedienung hier sehr nett ist... Auch am 1. Juli, dem Canada Day, ist hier nicht besonders viel los und so bleibt die Zeit zum Entspannen. Des Weiteren schreiben wir ein paar Postkarten und checken die eMails. Internetcafes sind 1996 noch nicht allzu bekannt, aber es findet sich ein kleiner Zettel an einer Ladentür, der 30 Minuten Internetzugang zu einem fairen Preis verspricht. Der Inhaber führt uns eine enge Treppe hinunter in den Keller, wo ein einzelnes Terminal mit einem Barhocker davor steht. Einfach genial! Per Telnet (jaja, freie eMail-Services sind noch rar!) werden die Nachrichten der Daheimgebliebenen gecheckt. Nun ist auch eine Entscheidung gefallen. Es geht auf geplanter Route weiter Richtung Skagway, aber mit der Option an der Haines Junction rechts abzubiegen und zurück nach Whitehorse zu fahren. Alaska oder Florida stehen an der Kreuzung zur Auswahl... Die nächsten Tage sollen zeigen, was die bessere Alternative ist. Wie wird die Entscheidung wohl fallen? Das Wetter ist nahezu gleichbleibend, es regnet fast ständig, doch ist es uns momentan ziemlich egal, da wir ein Dach über dem Kopf haben.
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