Neuseeland mit dem Fahrrad - Von "Bestens für Radreise-Anfänger geeignet!" bis hin zu "Kaum nennenswerte Steigungen und nur super Wetter!" hatten wir vor unserer Reise so ziemlich alles gehört. Unsere eigenen Eindrücke waren dann aber ganz anders.
Die in so manchem Reiseführer niedergeschriebenen Erlebnisse sind wohl eher die Erfahrungen eines Autofahrers, der bei 80km/h und heruntergelassener Fensterscheibe an das wahre Abenteuer denkt. Oder sollten wir etwa Weicheier sein? War es alles womöglich gar nicht so schlimm? Nein, für uns steht fest: Da stimmt was nicht mit etlichen Berichten aus Neuseeland, sowie mit dem Land selbst.
Landschaft
Die Landschaft Neuseelands gibt ein recht trauriges Bild ab, wenn man einmal von den Flächen absieht, die durch Nationalparks geschützt sind. Es hängt natürlich auch etwas vom
persönlichen Geschmack ab, ob ein Land gefällt oder nicht. Aber da wir eher auf
ursprüngliche Natur und nicht auf mit Schafen zugestellte Weideflächen stehen, fällt unser
Eindruck für die Ostküste negativ aus.
Im Westen gibt es hingegen große Gebiete, die von dichtem, undurchdringlichem Regenwald bewachsen sind, wo die Landschaft nicht von der Viehzucht geprägt ist. Dort, wo Küste und Berge nur wenige Kilometer trennen, finden sich Gletscher und Seen von atemberaubender Schönheit.
Tiere
Auffällig, daß wir auf der gesamten Tour so gut wie keine wilden Tiere gesehen haben, selbst beim Wandern nicht.
Beuteltiere, die vor Millionen Jahren von Südamerika nach Australien kamen, hatten wegen der inzwischen fehlenden Landverbindung keine Möglichkeit, Neuseeland zu bevölkern. So blieb es komplett frei von Säugetieren. Das ist auch der Grund, warum fast ausschließlich Vögel zu sehen waren, die Meeressäuger mal ausgenommen.
Nur das Opossum, die Landplage Neuseelands, haben wir des öfteren zu Gesicht bekommen. Nein, natürlich nicht lebendig - das wäre ja auch wirklich zuviel verlangt. Sondern totgefahren auf den Straßen, in hübscher Regelmäßigkeit, als ob sie jemand ausgesät hätte.
Wetter
Auch die Wetterverhältnisse stimmten so gar nicht mit den vorher gesammelten Informationen. Angeblich soll es an der Westküste fast ununterbrochen regnen, während die Ostküste größtenteils mit Sonnenlicht verwöhnt wird. Dumm gelaufen, denn es war genau anders herum. Auf dem Weg die Ostküste hinunter war es kalt und regnerisch, nur selten zeigte sich die Sonne. Sinnflutartige Regenfälle und Sturm in Orkanstärke ließen keinen Zweifel aufkommen: Wir sind in Patagonien!
Nach dem Durchbruch zur Westküste erwarteten wir nichts Gutes, hier soll es angeblich mehr als 8000 mm Niederschlag pro Jahr geben... Und genau da erlebten wir die schönsten Tage der gesamten Tour. Warm, sonnig und unberührte Natur zeigten Neuseeland so, wie wir es aus den Medien kannten. Dabei macht dieser Teil des Landes vielleicht gerade mal ein Fünftel der Gesamtfläche aus. Der Rest, auf dem Millionen (Milliarden?) von Schafen weiden, wurde der Natur entrissen und sieht aus wie ein überdimensionaler Golfplatz.
Es gab aber auch sehr schöne, sonnige Tage. Ohne jede Wolke am Himmel brannte die Sonne dann allerdings ohne Erbarmen auf die Haut. Das Ozonloch läßt grüßen, die Hautkrebsrate ist in Neuseeland so hoch wie nirgendwo sonst auf der Welt. Daher fiel es trotz der Hitze manchmal schwer, die langen Sachen auszuziehen. Und so radelten wir bei strahlendem Sonnenschein dick vermummt und nur durch den Fahrtwind gekühlt dahin. Denn trotz Sunblocker 30+ mit Titanoxid und medizinischem Sonnenschutz 40 für's Gesicht war das Brennen auf der Haut gelegentlich nicht auszuhalten. Der Himmel war an solchen Tagen so tiefblau, wie wir es in anderen Ländern noch nie zuvor gesehen hatten. Wahnsinn!
Zelten
In Neuseeland ist Zelten jedermanns Recht. Hauptsache man achtet darauf, nicht auf privatem Boden das Lager aufzuschlagen. Selten so gelacht. Wild Zelten? Dazu fehlte irgendwie der nötige Platz für das Zelt. Man stelle sich eine Straße vor, dann links von dieser einen nicht enden wollenden Zaun, rechts davon auch. Hinter dem Zaun begann das Weideland, Zelten unmöglich. Und so sah es doch ohne zu übertreiben überall aus, selbst auf den Schotterstraßen (Eine Ausnahme bilden hier wieder nur die Nationalparks). Das haben wir in den bislang bereisten Ländern noch nicht erlebt.
Straßenverhältnisse
Der Blick auf eine topographische Karte der Südinsel zeigt an deren Ostküste keine nennenswerten Erhebungen. Doch im Detail liegt hier der Überraschungseffekt versteckt. Die unzähligen Hügel, jeder vielleicht gerade mal 50 m hoch, machten das Vorankommen zu einer zermürbenden Angelegenheit. Die Straße führte dabei nicht selten direkt und steil auf den höchsten Punkt des Hügels, um auf dem Weg zum nächsten auch gleich wieder zur tiefsten Stelle abzufallen.
Nicht jede Steigung kündigte sich durch Serpentinen an, vielmehr ging es einfach weiter der Nase nach bergauf.
Viele Pässe in den richtigen Bergen hatten es in sich und warteten mit Steigungen auf, die wir gerade noch im kleinsten Gang befahren konnten.
Paradies?
An der Westküste, nach vier Wochen auf dem Sattel, finden wir schließlich das Neuseeland, wie wir es uns vorgestellt hatten. Dicht und undurchdringlich gewachsener Regenwald, unberührte Bergwelt und endlich warmes Klima. Doch der Eindruck bleibt getrübt, haben sich die ersten Wochen doch stärker eingeprägt als die schöne Zeit im letzten Paradies Neuseelands: Der Westküste.
Die Radreisenden, die wir unterwegs trafen, hatten übrigens überwiegend die selben Eindrücke von Neuseeland.
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